Eine kleine Simulation zeigt bereits, wo der Hase im Pfeffer liegt:
Die verwendeten Röhrenmodelle sind für die paarweise eingesetzten Röhren jeweils identisch - bis auf die ECC82 in der ersten Stufe. Die Steilheit von Xtr1A und Xtr2A unterscheidet sich um ca. 10%. Die daraus resultierenden Arbeitspunktverschiebungen sind dramatisch. Die Anodenspannungsdifferenz von ca. 9.52V wird über die Spannungsteiler auf ca. 47.09-45.37 = 1.72V Ugg heruntergeteilt. Die direkte Verbindung der Katoden der beiden ECC88 führt nun dazu, dass diese Differenzspannung abhängig vom µ der verwendeten realen ECC88 voll verstärkt wird. Daraus resultiert ein erheblich unterschiedlicher Arbeitspunkt für die beiden ECC88 (Xtr5A und Xtr6A im Schaltbild). Hier sind es mal eben 199.16-153.85 = 45.31V! Dividiert man diese Uaa = 45.31V durch die angelegte Ugg = 1.72V ergibt sich die reale (DC-Differenz-)Verstärkung der Stufe von ca. 26.24, was sehr realistisch ist.
Noch anders ausgedrückt: Die obere ECC88 hat eine Uak = 103.78V, die untere ECC88 hat eine Uak = 149.09V. Das ist für die ECC88 ein sehr relevanter Unterschied! Und das bei nur 10% Parametervariation einer vorher angekoppelten Röhre, alles andere ist ideal gleich!
Fazit: Eine solche Schaltung kann man auf dem Labortisch zum Laufen bringen. Für reale Seriengeräte ist sie untauglich, da viel zu abhängig von den realen Röhreneigenschaften. Das Ziel, einer möglichst hohen CMRR, kann man auch anders ohne diese Nachteile mit bewährten Schaltungen erreichen. Und die direkte Ankopplung ohne Koppel-C mittels Katodenfolger hat bereits MacIntosh beim MC275 vorgemacht.
Weitere Nachteile der Obimsarius-Schaltung:
- Die erzielbare Ausgangswechselspannung der 6N6P ist bei vertretbarem Klirrfaktor nicht sehr hoch (dank festgenageltem Anodenpotential!) und reicht geradeso für typische AB1-Endstufen mit gängigen Pentoden höherer Steilheit (EL84, EL34). Da diese weder eine hohe Eingangskapazität haben noch Gitterstrom fließt, ist die Ansteuerung mittels Katodenfolger nicht notwendig und führt nur zu erhöhter Komplexität bei erhöhtem Klirrfaktor und verminderter Zuverlässigkeit (Arbeitspunktdrift!)
- Eine Einstellung der Arbeitspunkte der Ausgangsröhren verschiebt die Arbeitspunkte der beiden ECC88 und 6N6P erheblich - und schnell in unzulässige Regionen, entweder bzgl. Ufk der ECC88 oder bzgl. Klirrfaktor / ungeeignete Arbeitspunkte. Der tatsächlich nutzbare Einstellbereich ist auf wenige Volt beschränkt. Auch hier gilt: Im Laboraufbau dank extrem gut gematchter Röhren machbar, unter Serienbedingungen eine Katastrophe.
Grüßle vom Rumzucker